apl. Prof. Dr. Peter Frenzel und Dr. Anna Pint vom Institut für Geowissenschaften der Uni Jena an der Grabungsstelle Bromacker

290 Millionen Jahre alte Tausendfüßer und Schwimmspuren von Ursauriern

Bei der Sommergrabung 2022 am Bromacker wurden unter Beteiligung der Universität Jena rund 400 Funde entdeckt
apl. Prof. Dr. Peter Frenzel und Dr. Anna Pint vom Institut für Geowissenschaften der Uni Jena an der Grabungsstelle Bromacker
Foto: Claudia Hilbert/Universität Jena
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Meldung vom: | Verfasser/in: Claudia Hilbert

Ein Skelett in einem fossilen Grabgang, Abdrücke von Insektenflügeln, Schwimmspuren von Ursauriern, sehr gut erhaltene, große Tausendfüßer und Zähne von Ursaurieren: Bei der Sommergrabung 2022 auf dem Bromacker im Thüringer Wald, die am 19. August zuende ging, haben Forschende der Friedrich-Schiller-Universität Jena, dem Berliner Museum für Naturkunde, der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha und des UNESCO Global Geoparks Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen wieder beeindruckende Funde aus den Gesteinsschichten geholt. Die Grabungen sind Teil des Forschungsprojektes BROMACKER und mit den neuen Funden ist das Projektteam nun um wichtige Puzzleteile reicher: Denn Ziel ist es, das Ökosystem am Bromacker vor 290 Millionen Jahren im Zeitalter des unteren Perm zu rekonstruieren.

Auswertung der Funde mittels modernster Forschungsmethoden

Über 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende waren an den vierwöchigen Grabungen beteiligt. Das Grabungsteam hat insgesamt rund 60 Kubikmeter Erde und Stein bewegt und etwa 400 Funde in fast 200 Kisten geborgen. In den kommenden Monaten werden diese nun präpariert und mithilfe modernster Forschungsmethoden ausgewertet, um so mehr über die Lebensweise der Tiere vor 290 Millionen Jahren zu erfahren.

Mittels Drohnenflug und Tachymeter hat das Team die Grabungsfläche detailliert ausgemessen und alle Fundorte dokumentiert, die nun in ein digitales 3D-Modell integriert werden. Um den Fundstücken ihre Geheimnisse zu entlocken, kommen verschiedenste Analysemethoden zum Einsatz: Mittels Computertomographie etwa können die Forschenden die Wirbeltierfossilien durchleuchten, um so die anatomischen Strukturen zu erfassen und 3D-Modelle ganzer Skelette oder Skelettteile zu erstellen. Knochendünnschliffe machen die einstigen Kanäle für Blutgefäße, die Poren für die ehemaligen Knochenzellen und oft auch ringartige Stillstandslinien sichtbar, so dass die Forschenden mehr über das Alter und die Wachstumsgeschwindigkeit des Tieres erfahren können. Mithilfe eines Rasterelektronenmikroskops versuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nähere Informationen zu den Oberflächenstrukturen zu gewinnen. So können sie zum Beispiel Kratzer auf der Zahnoberfläche erkennen, die Aufschluss darüber geben, wie die Kaubewegungen der Tiere waren.

Geologische Bohrung bis in 200 Meter Tiefe

Ergänzt wurden die Grabungen durch eine geologische Tiefenbohrung am nahe gelegenen Hainfelsen unter der Leitung der Universität Jena. Durchgeführt wird die Bohrung von der Bohrgesellschaft Roßla: Pro Tag gewinnen die Fachleute hier etwa acht Meter Bohrkern. 150 Meter sind schon geschafft, bis Mitte September soll der Bohrmeißel noch bis in eine Tiefe von etwa 200 Meter vordringen. "Der Bohrkern zeigt die bislang vollständigste Gesteinsabfolge der Tambach-Formation und erlaubt uns neue Einblicke in die Geologie des Tambach-Beckens", sagt apl. Prof. Dr. Peter Frenzel vom Institut für Geowissenschaften der Universität Jena.

Mithilfe der Bohrung möchten die Geologinnen und Geologen zudem mit geochemischen und bildgebenden Methoden Informationen zum Klima und zu den Umweltbedingungen in der Region vor 290 Millionen Jahren gewinnen. So können sie anhand der Bohrkerne beispielsweise die damalige Temperatur und Niederschläge oder die relativen Mengen atmosphärischer Gase bestimmen.

Das Projekt wird darüber hinaus in die universitäre Lehre eingebunden, so dass auch Studierende unmittelbar von den Forschungsarbeiten profitieren. "Studierende können beispielsweise an den Grabungen teilnehmen oder im Rahmen des Projektes ihre Abschlussarbeit anfertigen", betont der Geologe und Paläontologe Peter Frenzel. Zum Jenaer Bromacker-Team gehören neben Peter Frenzel noch Prof. Dr. Christoph Heubeck, PD Dr. Thomas Voigt und Dr. Anna Pint.

Führungen, Ausstellungen und Aktionstage für Familien

Neben den Forschungsarbeiten gab es in den vergangenen Wochen viele Aktionen für die Öffentlichkeit. Denn ein weiteres Ziel des BROMACKER-Projektes ist es, Forschung und Wissensvermittlung miteinander zu verbinden. So will das Projektteam den Bromacker als Bildungsort ausbauen und ihn als ein Fenster zur frühen Evolution der Landwirbeltiere für die Öffentlichkeit zugänglich machen, wie etwa durch Führungen, Ausstellungen und Social-Media-Aktivitäten. Rund 1500 Besucherinnen und Besucher kamen in diesem Jahr zur Grabungsstelle am Bromacker und etwa 100 Interessierte haben an den Führungen zur Tiefenbohrung teilgenommen. Außerdem hat in diesem Jahr die interaktive Ausstellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein eröffnet.

Wer die Führungen in diesem Jahr verpasst hat, kann sich auf nächstes Jahr freuen: 2023 werden wieder Grabungen stattfinden und das Projektteam plant erneut Führungen sowie spezielle Aktionstage für Familien. Auch eine Besucherplattform soll am Bromacker entstehen. Außerdem informieren die Forschenden über den Instagram-Account @bromacker_chronikenExterner Link regelmäßig über ihre Arbeit.

 

Der Bromacker und das BROMACKER-Forschungsprojekt

Die Fossilla­ger­stätte „Bromacker“ in der unterpermischen Tambach-Formation zwischen den Gemeinden Tambach-Dietharz und Georgenthal im Thüringer Wald ist seit mehr als 100 Jahren bekannt. Sie repräsentiert außerhalb der USA eine der bedeutendsten und produktivsten Fossillager­stätten für Landwirbeltiere (terrestrische Tetrapoden) aus dem frühen Perm von vor etwa 290 Millionen Jahren. Einer der bekanntesten Funde vom Bromacker ist das 1997 entdeckte „Tambacher Liebespaar“: zwei gemeinsam in Sediment eingebettete Skelette der Amphibienart Seymouria sanjuanensis.

Das BROMACKER-Forschungsprojekt startete im August 2020 unter dem Titel „Öffnen von Wissenschaft: Neue Wege des Wissenstransfers am Beispiel des Forschungsprojekts Bromacker“. Das Vorhaben ist eine Kooperation zwischen der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, dem Museum für Naturkunde Berlin - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem UNESCO Global GeoPark Thüringen Inselsberg-Drei Gleichen. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und soll bis 2025 detaillierte Einblicke in das Leben früher Landwirbeltiere und in ihre Umwelt geben.

Mehr Informationen zum ProjektExterner Link

Impressionen aus dem "Bromacker lab", von den Grabungen am Bromacker und von der geologischen Tiefenbohrung

  • Eingang zur Ausstellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein Gotha
    Eingang zur Ausstellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein Gotha
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • apl. Prof. Dr. Peter Frenzel von der Uni Jena in der Ausstellung "Bromacker lab"
    apl. Prof. Dr. Peter Frenzel von der Uni Jena in der Ausstellung "Bromacker lab"
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Blick in die Ausstellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein Gotha
    Blick in die Ausstellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein Gotha
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Vitrine in der Ausstellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein Gotha
    Vitrine in der Ausstellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein Gotha
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Zwei Besucher in der Aussellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein Gotha
    Zwei Besucher in der Aussellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein Gotha
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Blick in die Ausstellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein Gotha
    Blick in die Ausstellung "Bromacker lab" auf Schloss Friedenstein Gotha
    Foto: Claudia Hilbert/Universität Jena
  • An der Grabungsstelle Bromacker bei Tambach-Dietharz
    An der Grabungsstelle Bromacker bei Tambach-Dietharz
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Foto: Claudia Hilbert/Universität Jena
  • Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Foto: Claudia Hilbert/Universität Jena
  • Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Foto: Claudia Hilbert/Universität Jena
  • apl. Prof. Dr. Peter Frenzel und Dr. Anna Pint vom Institut für Geowissenschaften der Uni Jena an der Grabungsstelle Bromacker
    apl. Prof. Dr. Peter Frenzel und Dr. Anna Pint vom Institut für Geowissenschaften der Uni Jena an der Grabungsstelle Bromacker
    Foto: Claudia Hilbert/Universität Jena
  • apl. Prof. Dr. Peter Frenzel und Dr. Anna Pint vom Institut für Geowissenschaften der Uni Jena an der Grabungsstelle Bromacker
    apl. Prof. Dr. Peter Frenzel und Dr. Anna Pint vom Institut für Geowissenschaften der Uni Jena an der Grabungsstelle Bromacker
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Forschende bei der Arbeit an der Grabungsstelle Bromacker
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Dr. Anna Pint und apl. Prof. Dr. Peter Frenzel erklären die geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen
    Dr. Anna Pint und apl. Prof. Dr. Peter Frenzel erklären die geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Bohrturm für die geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Bohrturm für die geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Kernentnahme - Geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Kernentnahme - Geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Bohrkerne - Geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Bohrkerne - Geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Kernentnahme - Geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Kernentnahme - Geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Bohrkerne - Geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Bohrkerne - Geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
  • Bohrkern - Geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Bohrkern - Geologische Tiefenbohrung am Hainfelsen im Rahmen des Forschungsprojektes "Bromacker"
    Foto: Claudia Hilbert/ Universität Jena
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Kontakt (an der Uni Jena)

Peter Frenzel, apl. Prof. Dr.
Wiss. Mitarbeiter
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Lehrstuhl Allgemeine und Historische Geologie
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Christoph Heubeck, Prof. Dr.
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