
In diesem Forschungsschwerpunkt stehen mit sozialphilosophischer Grundierung geographische Begriffe, Ideen, Imaginationen und Narrative im Fokus. Erstens wird dabei das geographische Denken mit dem philosophisch- methodologischen Instrumentarium der Ideen-, Begriffs- und Disziplingeschichte erfasst und beschrieben. Das aktuell zentrale geisteswissenschaftliche Vorhaben ist von der Frage nach der Säkularisierung in der geographischen Wissensproduktion geleitet. Zweitens werden geosoziotechnische Imaginationen (z.B. Geoengineering, Raumfahrt,) aus einer (ideologie-/narrativ-)kritischen Perspektive analysiert. Dabei handelt es sich um Imaginationen und Narrative, die einerseits einen Bezug zum sozialen (Über-)Leben auf der bewohnbaren Erde aufweisen und andererseits in (trans-/inter-)nationalistische sowie geopolitische Narrative eingebettet werden.
Mitarbeitende:
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Kritische Geopolitik: Soziotechnische Imaginationen im Anthropozän
Das Projektvorhaben befindet sich derzeit in Planung. Ziel ist es, den imaginativen Gehalt von soziotechnischen Systemen wie der explorativen Raumfahrt oder der Atomkraft für kollektive Weltvorstellungen (worlding) zu erforschen.
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Politische Theorie und Geographie: Arbeiten zu anarchistischer Theorie, kritischer Phänomenologie, politischer Theologie und politischer Ökonomie
Mit Rückgriff auf die Ideengeschichte der Geographie und mit einer Nähe zu hermeneutischen und phänomenologischen Ansätzen wird eine Kritische Geographie des Sozialen konzeptionell weiterentwickelt. Von besonderem Interesse sind dabei die politische Philosophie und Theologie um das Spannungsfeld von Atmo-, Bio-, Geo- und Pyropolitiken im Anthropozän/Kapitalozän auszuloten und für progressive sowie herrschaftskritische Perspektiven in der Geographie fruchtbar zu machen.
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Kritische Geophilosophie/-theologie: Säkularisierung geographischer Ideen im planetarischen Zeitalter
Ausgehend von der These, dass die Säkularisierung geographischer Ideen kein abgeschlossener Prozess ist, wird in einem ersten Schritt eine disziplin- und ideengeschichtliche Verhältnisbestimmung von Geographie und Theologie vorgenommen sowie in einem zweiten Schritt ein Transformationsmodell der Säkularisierung (vgl. Taylor 2007) am Beispiel der Diskurse über das Anthropozän angewendet (Runkel 2024; Runkel 2025). Darauf folgt drittens eine im Anschluss an den Philosophen Hans Blumenberg metaphorologische Erörterung der Diskurse des planetaren Denkens sowie, viertens, eine Aufarbeitung geotheologischer Diskurse, die in Folge der globalen Zeitenwende als ‚dünne Geopolitik‘ (Toal 2016) eine neue Dominanz entwickeln. Es sind weitere Arbeiten geplant, die mit den Methoden der Ideen- und Begriffsgeschichte sowie der Metaphern-Analyse arbeiten (z.B. „Garten“-Metaphorik im planetaren Zeitalter, politische Phänomenologie des Feuers). Letztlich ist das Fernziel des laufenden Vorhabens, Beiträge zur Entwicklung einer subalternen (Geo-)Politischen Theologie zu entwickeln, die dezidiert herrschaftskritische, feministische, antisemitismuskritische, antifaschistische und rassismuskritische Impulse in sich trägt und somit zur interreligiösen und globalen Verständigung beiträgt.
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Kritische Geopolitik: Gemeinschaftsnarrative im Kontext der chinesischen Belt & Road Initiative
Im Forschungsvorhaben werden Geographien der Zukunft der geopolitischen Erzählung der Belt and Road Initiative (BRI) („Neue Seidenstraßen“) untersucht. Das Projekt zielt darauf ab, einen empirischen Beitrag zum zeitdiagnostischen Verständnis gegenwärtiger Geographien der Zukunft der BRI zu leisten. Durch die Untersuchung der durch die BRI generierten globalen sozio-materiellen Transformationsprozesse soll ein besseres Verständnis der temporalen und geographischen (De-)Stabilisierungsmechanismen, Funktionsweisen und Implikationen der BRI gewonnen werden. Die übergeordnete Fragestellung des Forschungsvorhabens ist, wie die Imaginationen zukünftiger geographischer Gegenwarten in ihrer Verschränkung mit den Materialitäten gegenwärtiger Zukünfte der BRI in Praktiken der Logistik und der sich darin und daran ausbildenden (Berufs-)Biographien konfiguriert und de/stabilisiert werden. Damit wird ein theoretischer Beitrag geleistet, um die Narrationen und Imaginationen der BRI als in einer ‚Geopolitik von unten‘ hergestellt zu verstehen. Das Untersuchungsfeld ist dabei die Logistik-Branche und ihre Lebenswelten in den vernetzten „global logistic cities“ Hamburg und Shanghai. Empirisch wird die übergeordnete Fragestellung erstens auf die Imaginationen zukünftiger geographischer Gegenwarten der BRI bezogen. Es wird danach gefragt, wie (Berufs-)Biographien von Angestellten des mittleren Managements in und durch Praktiken der Logistik imaginativ de/stabilisiert werden. Methodisch werden dazu narrativ-biographischen Interviews geführt. Zweitens wird die lebensweltliche Einbettung der Materialität gegenwärtiger geographischer Zukünfte der BRI in Hamburg und Shanghai untersucht. Es wird danach gefragt, wie die BRI als alltägliche geopolitische Imagination in ihrer materiellen Gegenwart in Praktiken des Biographisierens reflektiert wird. Methodisch wird hierbei auf ein Set ethnographischer in-situ-Techniken gesetzt. Praktiken des Biographisierens fungieren in der Auswertung als Scharnier zur analytischen Integration der Forschungsperspektiven. Damit wird ebenfalls ein methodologischer Beitrag zur Weiterentwicklung von sozialwissenschaftlichen Ansätzen einer praxis- und raumtheoretisch fundierten Biographieforschung geleistet werden.
Nach drei sehr gut begutachteten, letztlich aber abgelehnten Drittmittel-Anträgen sowie der jüngeren Verschärfung der innenpolitischen Situation in China und der damit verbundenen Herausforderungen für sozialwissenschaftliche Forschung wird dieses Forschungsvorhaben nicht mehr weiter verfolgt.