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Meldung vom: | Verfasser/in: Stephan Laudien
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Erdbeben setzen gewaltige Kräfte frei, die enorme Zerstörungen auslösen können. Schon lange sind deshalb Seismologen bemüht, die Beben vorherzusagen, genau zu lokalisieren und zu erforschen, was sich im Inneren der Erde abspielt. Wäre es vielleicht möglich, die Verfahren zur Erforschung des Erdinneren zerstörungsfrei auf winzige Strukturen anzuwenden? Ließen sich mit dem Besteck der Erdbebenforscher Blicke in lebende Zellen werfen? Wie könnten in den Zellen Beben erzeugt und wie könnten diese Erschütterungen nutzbar gemacht werden? Und letztlich, welchen Nutzen hätte das Ganze?
Diese auf den ersten Blick kuriose Idee haben die Brüder Volker und Hagen Deckert gemeinsam mit Boris Mizaikoff ausgebrütet. „Bei einem guten Glas Wein kamen wir auf diese Idee“, sagt Volker Deckert. Der 58-Jährige ist der ältere der beiden Brüder. Er ist Professor für Nanospektroskopie am Institut für Physikalische Chemie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, sein Bruder Hagen ist Geologe und leitet innerhalb der gemeinnützigen ITB gGmbH das Institut für geothermisches Ressourcenmanagement, Prof. Boris Mizaikoff leitet das Institut für Analytische und Bioanalytische Chemie an der Universität Ulm und ist ebenso Institutsleiter bei Hahn-Schickard.
Im Prinzip sei es machbar, so Volker Deckert. Ob es tatsächlich eine tragfähige Idee ist, das können die drei in den kommenden zwei Jahren ergründen. Das Forschertrio erhält im Rahmen des „CZS Wildcard“-Programms der Carl-Zeiss-Stiftung eine Fördersumme von 750.000 Euro für sein Projekt „Geowissenschaftlich inspirierte, molekülspezifische 3D-Tiefenanalyse mit Nanometer-Auflösung“.
Mini-Beben mit ultrakurzen Infrarotlichtimpulsen auslösen
Die drei Forscher wollen Infrarotlichtpulse in die Zelle feuern und dadurch molekülspezifisch Mini- oder genauer Nano-Beben auslösen, ohne dabei die Zelle zu beschädigen. Von den Nano-Beben breiten sich, wie bei „richtigen“ Erdbeben, Wellen bis an die Oberfläche aus und dort können sie an mehreren Messpunkten empfindlich aufgezeichnet werden. Mit Hilfe mathematischer Verfahren müsste es dann möglich sein, eine 3D-Analyse des Zellinneren zu erstellen.
„So könnten wir, wenn alles klappt, in einer Zellprobe erforschen, an welcher Stelle innerhalb der Zelle ein Virus andockt“, sagt Volker Deckert. Oder es wäre möglich zu bestimmen, wo genau ein Medikament seine Wirkung entfaltet. Nötig seien in jedem Fall ultrafeine Messgeräte und eine störungsfreie Umgebung, aber im Prinzip müsste es gehen, sagt Prof. Deckert optimistisch. Zunächst gelte es, die entsprechenden Referenzmethoden zu entwickeln und die Idee zu testen.
Mit einem Comic die eigene Idee darstellen
Für die „Wildcard“-Förderung der Carl-Zeiss-Stiftung musste die Idee zunächst kurz und knackig mit Hilfe eines Comics erläutert werden, danach folgte die mündliche Vorstellung, wobei die Kandidaten ihre Projekte in direkter Konkurrenz zueinander präsentieren mussten. Nach der Präsentation stimmten die Juroren und die jeweiligen Konkurrenten darüber ab.
Nun gilt es, die Idee praktisch zu erproben. Wie Prof. Deckert erläutert, werden sowohl in Jena als auch an den anderen beiden Projektorten Mitarbeiter eingestellt. Der Versuch der praktischen Umsetzung beginnt im nächsten Jahr. Die zwei Jahre Projektlaufzeit seien eine gute Zeit, um die Frage zu lösen, ob die „Nano-Beben“ in der Zelle tatsächlich in Zukunft nutzbringend ausgewertet werden können.
Das Förderprogramm „CZS Wildcard“ wurde 2022 ins Leben gerufen. In der zweiten Förderrunde konnten fünf Teams die Expertenjury von einer Förderung überzeugen. Ziel ist es, Freiräume für „wilde“ Ideen im MINT-Bereich zu schaffen und Ideen mit hohem Innovationspotenzial zu unterstützen. Förderwürdig sind interdisziplinäre Konsortien aus drei Wissenschaftlern mit Vorhaben, die radikal neu und damit besonders wagemutig sind, heißt es bei der Carl-Zeiss-Stiftung.
Über die Carl-Zeiss-Stiftung
Die Carl-Zeiss-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Freiräume für wissenschaftliche Durchbrüche zu schaffen. Als Partner exzellenter Wissenschaft unterstützt sie sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsorientierte Forschung und Lehre in den MINT-Fachbereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). 1889 von dem Physiker und Mathematiker Ernst Abbe gegründet, ist die Carl-Zeiss-Stiftung eine der ältesten und größten privaten wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland. Sie ist alleinige Eigentümerin der Carl Zeiss AG und SCHOTT AG. Ihre Projekte werden aus den Dividendenausschüttungen der beiden Stiftungsunternehmen finanziert.